Schilderung des Sachverhalts
Sehr geehrte Damen und Herren,
aus einem aktuellen Schreiben des Familienministeriums NRW an den Landtag geht hervor, dass Kitas in ganz NRW die Kinderbetreuung aufgrund von Personalmangel zuletzt deutlich häufiger einschränken mussten. Im September 2024 wurden 3600 entsprechende Meldungen an die Jugendämter gemacht. Im Vorjahresmonat waren es 2400 Meldungen. Die offiziell gemeldeten Zahlen stellen hier jedoch nur die Spitze des Eisberges dar. Aufgrund der anhaltend schwierigen personellen Situation in den Kindertagesstätten auch im Kreis Soest und eines daraus resultierenden aktuellen Falles von Kindeswohlgefährdung möchten wir die Verwaltung des Jugendamtes um eine ausführliche Stellungnahme zu folgenden Punkten bitten:
Notbetreuung und reduzierte Öffnungszeiten
Die flächendeckende personelle Unterbesetzung findet sich auch in den Kitas im Kreis Soest. Hieraus resultieren Notbetreuungsszenarien und reduzierte Öffnungszeiten. In welcher Häufigkeit wurden im laufenden Kitajahr Notbetreuungen gegenüber dem Kreis Soest angezeigt? Welche Arten der Umsetzung von Notbetreuung werden praktiziert (Arbeitgeberbescheinigungen, feste Gruppen?)? Wie oft und in welchem Umfang wurden Öffnungszeiten reduziert? Wurden die Öffnungszeiten temporär oder dauerhaft reduziert? Wie ist die Situation im Vergleich zum Vorjahr?
Inoffizielle Maßnahmen der Kitas bei Personalmangel
Aussagekräftig sind vor allem die inoffiziellen Maßnahmen der Kitas im Umgang mit Personalmangel. Hierzu zählen z.B. Gruppenzusammenlegungen, die Bitte um anderweitige Betreuung der Kinder und unterbesetztes Arbeiten in einzelnen Gruppen. Sie zeigen das wahre Ausmaß der Situation. Gerade durch Unterbesetzung entstehen Aufsichtspflichtverletzungen und Kindeswohlgefährdungen, wie zuletzt in Bad Sassendorf geschehen. Hierzu ergeben sich folgende Fragen: Wie oft werden Eltern gebeten, ihre Kinder anderweitig zu betreuen, was im Ergebnis der Notbetreuung gleichkommt (belegbar durch Kommunikation in den Kita-Apps)? Wie oft werden Gruppen zusammengelegt? Wie häufig arbeiten Fachkräfte unterbesetzt (Ausnahme oder Dauerzustand?)? Die Evaluation dieser nicht greifbaren Daten ist schwer, aber essentiell, um die Situation korrekt darzustellen. Zur Klärung dieser Fragen sollten auch die Elternräte der Kitas als Kontrollgremium herangezogen werden.
Erhöhter Krankenstand
Der Betreuungsschlüssel in Kitas gilt auch dann als erfüllt, wenn das Personal „auf dem Papier“ ausreichend vorhanden ist, also auch bei Krankheit oder Urlaub einzelner Fachkräfte. Wird aber ein hoher Krankenstand zum Dauerzustand, kollabiert das System. Pädagogischer Alltag kann nicht mehr stattfinden. Die anhaltende Personalknappheit, verstärkt durch hohe Krankenstände, führt zu einer erheblichen Belastung des vorhandenen Fachpersonals, das zunehmend überlastet ist. Wir möchten wissen, wie die Verwaltung die aktuelle Personalsituation einschätzt und welche Maßnahmen zur Entlastung der Mitarbeitenden und zur Sicherstellung der Betreuung durchgeführt werden. Gibt es Daten zum Krankenstand der Fachkräfte in den Kitas? Welche Perspektiven gibt es, um die personelle Ausstattung in den Kindertagesstätten langfristig zu verbessern?
Elternschaft unter Druck
Die reduzierte Betreuung und die Notbetreuungsregelungen führen dazu, dass viele Eltern ihre Kinder nicht wie gewohnt in die Einrichtungen bringen können. Dies stellt insbesondere berufstätige Eltern vor erhebliche Herausforderungen. Inwieweit hat die Verwaltung das Feedback der Eltern zu dieser Situation aufgenommen?
Bildungsauftrag und pädagogischer Alltag
Die Belastung des Personals hat spürbare Auswirkungen auf die Qualität der pädagogischen Arbeit. Ein normaler, entwicklungsfördernder Alltag kann aufgrund der Personalknappheit und der reduzierten Betreuungszeiten kaum noch gewährleistet werden. Welche Maßnahmen können kurzfristig ergriffen werden, um die pädagogische Arbeit und die Umsetzung des Bildungsauftrags trotz der schwierigen Personalsituation aufrechtzuerhalten?
Wir bitten um eine detaillierte Antwort und um Informationen darüber, wie die Verwaltung den Herausforderungen in den Kindertagesstätten begegnen will. Da sich bei der Aufarbeitung des Vorfalls aus Bad Sassendorf ergeben hat, dass die dortigen Notbetreuungen nicht gemeldet waren, sollte die Statistik an dieser Stelle nochmal genauer hinterfragt werden. Eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Elternräten erscheint uns hierbei als wichtiges Element.
Soest, den 13.11.2024
gez. Robert Bigge Fraktionsvorsitzender BG Bürgergemeinschaft Kreis Soest e.V.